News CVJM Liedolsheim (Archiv)

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Alltagsgedanken

Nachts

 

Die Nacht,

In der

Das Fürchten

Wohnt,

 

hat auch

die Sterne

und den

Mond.

 

Mascha Kalénko

 

Im Fastenkalender zur Aktion „7 Wochen ohne“ habe ich dieses Gedicht gelesen und es hat mich berührt. Es kamen natürlich schnell Gedanken zur Corona Krise. Obwohl die Herausgeber des Kalenders bei der Auswahl des Textes nicht mit einem solchen Ereignis gerechnet haben konnten, passt die Aussage doch so gut in diese Situation.

In diesem Jahr hatten wir uns als Familie entschieden, in der Fastenzeit auf Fleisch und Wurst zu verzichten. Darüber hinaus haben wir Erwachsenen uns noch andere „Kleinigkeiten“ vorgenommen, von denen wir dachten, dass uns der Verzicht schwerfallen würde. Es ist mir in den letzten Jahren noch nie so leichtgefallen, meinen Plan durchzuhalten wie in diesem Jahr. Plötzlich sind so viele weitere und einschneidende Dinge eingeschränkt und unser Alltag auf den Kopf gestellt.

Obwohl wir die Aussagen der Politiker und der Kultusminister der Länder schon einige Tage genau beobachteten, kam der Schritt, dass die Schulen geschlossen werden mussten doch sehr schnell. Uns als Familie traf das auf mehreren Ebenen.

Zum einen musste ich mir als Lehrerin überlegen, wie ich ein Weiterlernen für meine Schüler organisieren kann und wie es mir gelingt, aus der Ferne den Kontakt zu halten, zu unterstützen und zu motivieren.

Zum anderen musste ich als Mama von 3 schulpflichtigen Kindern darüber nachdenken, wie unser Tag strukturiert werden muss, damit wir in einen neuen Alltag finden können.

Eines war jedoch von Anfang an klar: Stefan muss arbeiten gehen, da er in einem „systemrelevanten Beruf“ arbeitet und ich kann an meiner Arbeitsstelle nur bedingt arbeiten, weil dort keine Schüler mehr sind, bleibe also weitgehend zuhause. Dadurch war ein großer Brocken für uns organisatorisch schnell geschafft, nämlich die Kinderbetreuung, die viele Familien neben den beruflichen Unsicherheiten sehr fordert.

Von heute auf morgen war nun kein fester Rhythmus von außen mehr in unserer Tagesstruktur vorgegeben. Darum haben wir uns zusammen an den Tisch gesetzt und eine „Minimalstruktur“ abgesprochen. Damit kommen wir gut zurecht:

Um 7.30 Uhr werden alle geweckt, dann gibt es Frühstück. Stefan ist um diese Zeit bereits in der Dienststelle. Nach dem Zähneputzen und Anziehen ist „Lernzeit“. Alle Kinder arbeiten an den Fächern und Plänen weiter, die an dem jeweiligen Tag auch in der Schule auf dem Stundenplan stehen würden. Dazu muss jeden Tag überprüft werden, ob es neue Aufgaben online gibt, die auch noch erledigt werden müssen, oder ob ein Lehrer die Lösungen unserer Kinder geschickt bekommen möchte.
Obwohl ich als Lehrerin ja „vom Fach“ bin, stresst es mich, zu entscheiden, wie viel in jedem Fach pro Tag geschafft werden soll und ich bin den Lehrern und Lehrerinnen sehr dankbar, die das für ihre Schüler schon vorgegeben haben. Das erspart mir die Diskussion „Komm, ein Arbeitsblatt / eine Aufgabe…. schaffst du doch noch ...“. Zwischendurch gibt es natürlich Pausen, Nüsse oder Obst, Getränke, … damit die Stimmung gut bleibt.

Ums Mittagessen kümmere ich mich, wenn soweit alles erledigt wurde.

Dass unsere Nachmittage auch nicht mehr durch feste Termine vorstrukturiert sind, entspannt mich dagegen, weil ich nicht alle Turnstunden, Musikunterricht, usw. im Kopf haben muss. Einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu übernimmt auch das gute Wetter, das gerade vorherrscht. Die Kinder können im Garten spielen und sich bewegen und nach etwa einer Woche haben sie sich auf diese Veränderung eingestellt und können auch wieder miteinander spielen.

Da ja keine Ferien sind, geht es am Abend für alle so ins Bett, wie es auch in der Schulzeit wäre. Denn am Morgen geht es ja wieder weiter.

Natürlich läuft bei uns bei weitem nicht alles harmonisch. Es gibt Ärger, Streit, Langeweile, wir gehen uns auf die Nerven und vermissen unsere weiteren Familienangehörigen und Freunde.

Ich bin dankbar, dass wir in einem Haus mit Garten wohnen und dass jedes Kind einen Rückzugsraum hat. Ich bin dankbar, dass wir auf dem Land wohnen und wir uns in der Natur vor unserer Haustür bewegen können. Ich bin dankbar, dass wir uns keine Sorgen um unsere Berufe machen müssen. Ich bin dankbar für meine Familie und für meine Freunde, die immer wieder nachfragen: „Wie geht es euch? Bleibt gesund! Es ist so schön, deine Stimme zu hören.“
Ich bin dankbar für Menschen, die Gottesdienste und Gebetszeiten organisieren, weil ich die Gemeinschaft vermisse.

So viel „Mond und Sterne“, Lichter, die in dieser unsicheren, ungewissen „Nacht“-Zeit um uns leuchten. Wir sind gesund, wir sind zusammen und es geht uns gut.

Meine Gedanken und Gebete sind dagegen bei den vielen Menschen, die es härter trifft als uns. Bei denen, die niemanden haben, der ihnen „auf den Keks“ geht, bei denen die Angst um die berufliche und finanzielle Zukunft haben, die erkrankt sind, allein oder durch ihren Beruf tagtäglich besonderen Herausforderungen und Belastungen ausgesetzt sind, die neue, ungewohnt weitreichende Entscheidungen treffen müssen. Ich denke an die Schülerinnen und Schüler, denen zuhause keiner helfen kann und an die Eltern, die eine Rolle einnehmen sollen, der sie nicht gewachsen sind.

„Gott ist mit uns am Abend und am Morgen. Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ (Dietrich Bonhoeffer)

 

Katharina Lang, Liedolsheim